Kohlenstoffblase

Strukturwandel in der Lausitz - Rotorblattproduktion Vestas Lauchhammer, Quelle: Autor

Strukturwandel in der Lausitz – Rotorblattproduktion Vestas Lauchhammer, Quelle: © Autor

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. In der Lausitz spielt ein Wirtschaftskrimi, der seit der Ankündigung von Vattenfall, einen Rückzug aus der Braunkohle zu prüfen, erheblich an Brisanz gewonnen hat. Welche Taktik für die Energieversorgungsunternehmen die Beste war, wird sich erst am Ende des Jahrzehnts herausstellen.

Auf der einen Seite stehen die Unternehmen, die mit fossilen Energien weiterhin Geld verdienen wollen. Auf der anderen Seite stehen die erfolgreichen Geschäfte junger, nachhaltig ausgerichteter Energieversorgungsunternehmen. Die beweisen, dass eine wirtschaftliche Energieversorgung auch im Einklang mit dem notwendigen Klimaschutz organisiert werden kann. Gezielte Investitionen in Erneuerbare Energien sollen für sie das Risiko eines Wertverlustes von Unternehmenswerten verringern. Das Geschäfte mit der Förderung von fossilen Brennstoffen oder deren emissionsreichen Verbrennung mit zunehmenden Risiken behaftet sind, folgt aus der wissenschaftliche Erkenntnis, dass zwei drittel Viertel der bekannten fossilen Rohstoffreserven ungenutzt in der Erde bleiben müssten, wenn sich das Klima des Planeten nicht unkontrollierbar überhitzen soll. Einschneidende staatliche Auflagen, die eine Verbrennung fossiler Rohstoffe einschränken oder gar verbieten, könnten noch in diesem Jahrzehnt zu erwarten sein, wenn der fortschreitende Klimawandel Regierungen zu strengerem Klimaschutz zwingen sollte.

In Deutschland spielt ein nicht unbedeutendes Kapitel dieses Krimis

In der Brandenburgischen und Sächsischen Lausitz wühlt sich die Braunkohlesparte des Energieversorgers Vattenfall durch die Landschaft. Sie agiert mit einem Geschäftsmodell, das auf der extrem klimaschädlichen Verbrennung von Braunkohle aufgebaut ist und von den Landesregierungen in Potsdam und Dresden unterstützt wird. Sie plädieren weitgehend ideenlos für ein Festhalten am bisherigen Geschäftsmodell der Braunkohleverstromung bis weit über das Jahr 2040 hinaus. Ihre Motivation ist die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen in der Region.

Dagegen stehen als Gegenmodell die neuen Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien und die ersten (noch kleinen) Erfolge auch etablierter Energieversorgungsunternehmen, die bereits seit mehreren Jahren in einen Konzernumbau mit verringerten Emissionen investieren. Beispiele dafür sind Energie-Baden-Württemberg (EnBW), MVV-Energie AG Mannheim, die EWE AG oder die Stadtwerke München. EnBW konnte gerade vermelden, dass sich ein neu eingeführtes Bürgerbeteiligungprojekt in Erneuerbare Energien wie geschnitten Brot verkaufte und in einer Woche 2 Mio. € gezeichnet wurden. MVV Energie sicherte sich eine 51% Mehrheitsbeteiligung am Wind- und Solaranlagenbetreiber JuWi und kaufte zusätzlich den Projektentwickler Windwärts. Die EWE, die Stadtwerke München und EnBW engagierten sich früh in der Offshore Windenergie und betreiben bereits die Windparks Riffgat, Globaltech 1 und Baltic 1. Ein Merkmal zeichnet sie alle aus: Sie befinden sich mehrheitlich in kommunaler oder staatlicher Hand. So auch Vattenfall, deren Konzernstrategie mit dem Wechsel der schwedischen Regierung nun endlich mehr von Nachhaltigkeit und Klimaschutz geprägt werden soll.

In den USA wird heftig über die Risiken von Investitionen in Kohlenstoff diskutiert

Alle fossilen Brennstoffe bestehen aus Kohlenstoff, der bei der Verbrennung in die Atmosphäre freigesetzt wird. Bill McKibben, Träger des „Right Livelihood Awards“, des alternativen Nobelpreises, wirbt mit seiner Organisation 350.org für „Divestment„, den Rückzug von Investoren aus Unternehmen, deren Werthaltigkeit auf der Förderung oder Verbrennung von Kohlenstoff basiert. Er warnt vor einer „Carbon Bubble„, einer Kohlenstoffblase auf den Finanzmärkten. Von einer Finanzmarkt-Blase wird gesprochen, wenn es ein Überangebot gibt, während die Börsen noch von Wachstum und hoher Nachfrage in dem Segment ausgehen. Momentan gehen die Börsen davon aus, dass wegen der anhaltend hohen Nachfrage nach fossilen Energierohstoffen auch alle Vorräte verkauft werden können. Kommt es jedoch zu einem Einbruch der Nachfrage, weil Klimaschutz und Erneuerbare Energien fossile Brennstoffe unattraktiv werden lassen, würde die Kohlenstoffblase platzen. Die Aktien der betroffenen Unternehmen würden über Nacht einen großen Teil ihres Wertes verlieren. Ethisch denkende Investoren, wie z.B. Stiftungen, Kirchen und Kommunen, trennen sich bereits jetzt zunehmend von Beteiligungen an Unternehmen mit dem Schwerpunkt fossile Brennstoffe. Die Umweltbewegung hofft auf einen einsetzenden Wettlauf um den rechtzeitigen Verkauf noch überbewerteter Beteiligungen.

Die neue schwedische Regierung möchte den Staatskonzern Vattenfall von unkalkulierbaren Risiken und schlechten Treibhausgasbilanzen ihrer Auslandsbeteiligungen entlasten. Eine davon ist die Braunkohleverstromung in Brandenburg und Sachsen. Nach dem Scheitern der CCS-Technologie bleibt die Profitabilität der Braunkohle abhängig von niedrigen Preisen für Emissionszertifikate. Doch auch in Deutschland wird über zusätzliche Auflagen für Kohlekraftwerke diskutiert, weil zu befürchten ist, das Deutschland andernfalls sein Klimaschutzziel einer Emissionsreduzierung von 40% gegenüber 1990 bis 2020 nicht erreichen wird. Darüber hinaus werden die Proteste von Anwohnern und Umweltschützern zunehmend wahrgenommen. Sie wollen den neuen Tagebauen in der Lausitz nicht freiwillig weichen und auf die fortschreitende Verschmutzung der Flüsse durch den Braunkohletagebau aufmerksam machen. Durch die große mediale Aufmerksamkeit wird es Vattenfall in Zukunft vermutlich immer schwerer fallen sein schlechtes Image in Deutschland hinter einer grün gefärbten Fassade verbergen. Ein „Divestment“ aus der deutschen Braunkohle wird derzeit durch die schwedische Unternehmensführung geprüft. Ob andere Unternehmen bereit sind Vattenfalls Braunkohlesparte zu kaufen und für dieses unternehmerische Abenteuer Geld zu bezahlen, ist noch offen.

Ein Verkauf der Braunkohlesparte an einen anderen Betreiber würde keine einzige Tonne klimaschädlichen Kohlenstoffs in der Atmosphäre einsparen

Es erscheint wie der Versuch kurz vor Einführung einer Umweltzone schnell noch ein Taxiunternehmen mit rußenden Dieselfahrzeugen ohne Umweltplakette verkaufen zu wollen. Findet Vattenfall noch einen gut zahlenden Käufer für das klimaschädliche Braunkohlegeschäft oder geht bereits die Angst vor durchgreifendem Klimaschutz und dem Platzen der Kohlenstoffblase um? Die Grünen Fraktionen in Brandenburg und Sachsen fragen sich, ob ein Rückzug eines Unternehmens aus einer solchen Investition nicht mit größerer Verantwortung für die Nachsorge einhergehen müsste. Ein spekulativer Käufer und Nachfolger von Vattenfall in der Lausitz, der vor dem Platzen der Kohlenstoffblase noch mal schnell mit der Braunkohleverstromung Geld verdienen will, kann an Klimaschutz nicht interessiert sein. Geht die Rechnung des neuen Eigentümers nicht auf, besteht zudem das Risiko, dass bei einer Insolvenz des Unternehmens am Ende der deutsche Steuerzahler für die Hinterlassenschaften aufkommen muss. Stellt Vattenfall statt dessen seine Braunkohleaktivitäten in eigener Verantwortung schrittweise ein, bliebe genügend Zeit für einen sozial verträglichen Strukturwandel und einen nachhaltigen Konzernumbau. Mit guten Chancen, durch Investitionen in Erneuerbare Energien auf die Gewinnerstraße zurückkehren zu können.