Anfang 2014 wurden von den Herstellern Samsung und Vestas jeweils ein Prototyp für die zukünftige Generation Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Seit Ende Januar produziert die neue 8 MW-Anlage V164 des dänischen Weltmarktführers Vestas den ersten Strom, Mitte Februar wurde die 7 MW-Turbine von Samsung 50 m vor der Schottischen Küste in Betrieb genommen. Letztere hat mit 83,5 m langen Rotorblättern einen, gegenüber der Vestas-Anlage, um 6 m größeren Rotordurchmesser. Wenn die 196 m hohe Windenergieanlage von Samsung mit guter Zuverlässigkeit läuft, hat sie gute Chancen auf den Titel der ertragsstärksten Windenergieanlage der Welt.
Lange war die 7,6 MW-Windenergieanlage des deutschen Herstellers Enercon die größte am Markt verfügbare Anlage, von der bisher über 50 Stück errichtet wurden. Diese Ehre wird bald auf die Hersteller der neuen Windgiganten übergehen, wenn die Prototypen die Erwartungen der Hersteller bestätigen und deren Serienproduktion beginnt.
Doch wie lang kann ein Flügel werden, ohne dass er bricht? Die Rekorde bei der Konstruktion der immer leistungsfähigeren Anlagen sind nicht unwesentlich auf Fortschritte in der Produktionstechnik der Flügel zurückzuführen, die es ermöglichen die Flügel genauer und preiswerter zu fertigen. Dabei greifen die Hersteller auch auf das gegenüber dem übliche Glasfaser-Verstärkten-Kunststoff (GFK) stabilerere und leichtere Karbon zurück. Doch Stabilität ist nicht alles. Die Flügel müssen auch zur Baustelle gebracht werden. Bei Offshore-Anlagen ist das mit dem Transportmittel Schiff leicht zu bewerkstelligen. Die Firma Enercon errichtet ihre Anlagen jedoch ausschließlich an Land und musste sich deshalb etwas anderes einfallen lassen, um die Flügel auch mit dem LKW transportieren zu können. Der 61 m Flügel des Spitzenmodells E126 wird deshalb in zwei Teilen gefertigt, die vor Ort zusammengebaut werden. Ein weiteres Größenwachstum ist also auch für Binnenlandanlagen nicht ausgeschlossen.
Die Hersteller versprechen sich durch die größeren Anlagen höhere Erträge zu geringeren Kosten. Niedrigere Bau- und Wartungskosten bei Windenergieanlagen sind für die Politik das Tor zu günstigeren Strompreisen, vor allem für die noch teure Windenergie auf dem Meer. Die Hersteller haben die Kosten fest im Blick und haben zumindest eine 4-6 MW-Offshore Turbine im Pogramm. Alstom, Siemens, Senvion und Sinovel bieten 6 MW Anlagen an, Gamesa und Areva haben jeweils eine 5 MW im Angebot und der amerikanische Hersteller GE eine 4,1 MW Anlage.
Um sich die Leistungsfähigkeit solcher Anlagen besser vorstellen zu können, hilft es, sich auszurechnen, wie viel Strom eine solche Anlage produzieren kann. Alstom prognostiziert für ein Offshore-Projekt vor der Ostküste der USA für die dort geplanten 6 MW-Anlagen einen Ertrag von je 25 Mio. kWh pro Jahr. In Deutschland könnten davon 5000 Vier-Personen-Haushalte (5000 kWh) bilanziell ein ganzes Jahr mit Strom versorgt werden. Vestas prognostiziert für die neue, 220 m hohe V164 gar einen Ertrag der 7500 europäische Durchschnittshaushalte versorgen kann, was etwa 30 Mio kWh entspricht. Anders gerechnet könnte man mit 19.866 Windenergieanlagen mit dieser Ertragsstärke rechnerisch den gesamten deutschen Stromverbrauch (596 Mrd. kWh/a) decken. Derzeit gibt es in Deutschland 23.645 Windenergieanlagen, die allerdings noch ein ganzes Stück kleiner sind und natürlich auch nicht alle an erstklassigen Standorten stehen. Sie erzeugten 2013 mit 47,2 Mrd. kWh deshalb „nur“ knapp 8% des Stromverbrauchs.
Der Schlüssel zu mehr Ertrag aus Windenergie liegt in jeder Hinsicht in der Größe. Zum Einen werden die Anlagen höher, weil in höheren Windschichten ein kräftiger und verlässlicher Wind weht, zum Anderen werden die Rotoren größer, weil die „Erntefläche“ dadurch vergrößert wird. Mit der Erntefläche wächst auch die Nennleistung des Generators. Alles zusammen macht Windenergie wichtigen Energiequelle der Zukunft.
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