Kommenden Montag treffen sich Vertreter aller Staaten der UN-Weltgemeinschaft zur Klimakonferenz COP21 in Paris, um über gemeinsame Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels zu verhandeln. Zum 21. Mal reisen Diplomaten aus den 193 Mitgliedsstaaten zu einer Konferenz, die berühmt ist für hohe Erwartungen und belanglose Ergebnisse. Bis zum 11.Dezember wollen sie in Paris die Grundlagen für ein Folgeabkommen zum Kyoto-Protokoll erarbeiten. Sie müssen einstimmig entscheiden. Auch wenn das eigentliche Ziel, auf dieser Konferenz ein Abkommen zu erarbeiten, bereits aufgegeben wurde: Der Druck ist groß, sichtbare Ergebnisse zu erzielen. Denn der Klimawandel auf der Erde ist für Mensch und Natur immer deutlicher spürbar. Das Handlungsfenster in dem die Erwärmung des Klimas noch unter Kontrolle gehalten werden kann, wird immer kleiner. Forscher des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) halten das Ziel, die globale Erwärmung auf 2°C zu begrenzen schon für nicht mehr erreichbar, wenn nicht große Mengen Kohlendioxid unterirdisch verpresst und gelagert werden können. Die dafür notwendige „Carbon Capture and Storage“ Technologie (CCS) ist jedoch energieaufwändig, teuer und umstritten. Die Erhöhung der Kohlendioxid (CO2) Konzentration in der Luft von 320 auf über 400 ppm* in den letzten 50 Jahren und ein Grad Erderwärmung sind wissenschaftlich eindeutig Folgen der explosionsartigen Steigerungen der menschengemachten CO2-Emissionen in den letzten 100 Jahren. Deren weiterer Anstieg ist bis heute nicht gestoppt.
Konferenzen ohne Alternative
Wer schon einmal versucht hat seinen Stammtisch mit sechs oder acht Teilnehmern von Bier auf Wein umzustellen, kann sich vorstellen wie schwierig es ist unter Vertretern von 193 Staaten auf einer Konferenz Einigkeit über das Maß an gemeinsamen Klimaschutz zu erreichen. Auch wenn diese Konferenz über 12 Tage geht und durch mehrere Vorkonferenzen vorbereitet wurde, ist alles, was dabei herauskommen kann ein scheinbar windelweicher Kompromiss. Um den Fortschritt zu erkennen, wird man zwischen den Zeilen lesen müssen. Dennoch kommt niemand umhin, anzuerkennen, dass diese jährlichen Klimakonferenzen (COP) die einzige Plattform sind, um mit allen Staaten über wirksamen Klimaschutz zu verhandeln. Ohne die COP gäbe es keinen Raum in dem sich die größten Emittenten mit den Verlierern des Klimawandels auf Augenhöhe austauschen könnten. Obwohl alles wie Chaos wirkt, werden die Konferenzen mit großer Expertise vorbereitet. Ein wissenschaftliches Komitee, der Weltklimarat bzw. das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) stellt alle sechs Jahre die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einem Bericht zusammen. Dieser dient als Grundlage für die Verhandlungen. Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Industrielobbyisten beobachten die COP21 in Paris und versuchen die Verhandlungsvertreter in der Wahrnehmung ihres Mandats zu unterstützen oder zu beeinflussen. Medienvertreter sind bemüht den Verlauf der Verhandlungen so zusammenzufassen, dass für Außenstehende die Entwicklung verständlicher wird.
Die vergangenen Weltklimakonferenzen (COP) waren nur ein Hickhack von Stellvertretern, die von ihren Regierungen nicht befugt waren, über Ihren Schatten zu springen. Weil die Verhandlungen ohne Verhandlungsmasse geführt wurden, diskutierte man über Formulierungen statt Beschlüsse über notwendige Maßnahmen zur Begrenzung klimaschädlicher Emissionen zu fassen. Diesmal soll es besser werden. Um eine Verhandlungsgrundlage zu haben, sollte im Vorfeld der COP21 jedes Land freiwillige Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz schriftlich einreichen. Doch die zur Konferenz eingereichten Angebote reichen bei weitem nicht aus, um die Erderwärmung auf 2°C zu begrenzen. Es ist ein paradoxer Tanz auf wackligem Boden bei dem keiner einen großen Schritt wagt. Angst davor, im Kampf um Wohlstand und Wirtschaftswachstum Nachteile hinnehmen zu müssen, lähmt die Teilnehmer. Dennoch können die Teilnehmer der COP21 in Paris durch die eingereichten beabsichtigten Klimaschutzbeiträge der Länder besser erkennen, dass die meisten Staaten bereit sind ihren Beitrag zu leisten. Auch ist bis heute ist nirgends erkennbar, dass Staaten mit einem stärkeren Engagement beim Klimaschutz einen Verlust von Wohlstand hinnehmen müssen. Die Berechnungen ganzheitlich denkender Wirtschaftswissenschaftler wie Nicholas Stern, die auch von neusten Forschungen am PIK bestätigt werden, zeigen deutlich, dass sich ein Abwarten beim Klimaschutz nicht lohnt. Im Gegenteil Klimaschutz kann Wohlstand und Wirtschaftswachstum befördern.
Druck steigt, Optionen sind auf dem Tisch
Unterdessen spüren die ärmsten Länder die Folgen des Klimawandels bereits deutlich und zahlen daher bereits jetzt einen hohen Preis für die durch menschliches Handeln verursachte Erderwärmung. In einigen Ländern spüren die Menschen dies durch geringere Ernten und in der Folge höhere Lebensmittelpreisen. In von Austrocknung bedrohten Gebieten werden die Bewohner mit erhöhten Kosten für eine Wasserversorgung konfrontiert. In Deutschland sind die durch Klimawandel verursachten Mehrkosten für den Einzelnen vergleichsweise gering, aber dennoch insgesamt kostspielig, z.B. durch Kosten für größere Regenrückhaltebecken auf Grund von vermehrtem Starkregen, für mehr Beschneiungsanlagen in früher schneesicheren Skigebieten oder für vermehrte Klimatisierung in den immer heißer werdenden Sommermonaten. Der Preis für eine Einigung zwischen Industrie, Entwicklungs- und Schwellenländern steigt von Jahr zu Jahr. Je deutlicher die hohen Kosten der Anpassung an den Klimawandel werden, desto klarer wird, dass es zwischen den Verursachern des Klimawandels und den Geschädigten einen Ausgleich geben muss. Das Beispiel China zeigt jedoch, dass die Grenze nicht einfach zu ziehen ist. China ist das Land mit den höchsten Emissionen weltweit. Aber die historischen und die Pro-Kopf Emissionen Chinas sind eher gering. Chinas Wirtschaft ist stark, aber im Verhältnis zu Europa und USA sieht sich China nicht als Industrie- sondern als Schwellenland. Eine Einigung zu mehr Klimaschutz wird nicht effektiv sein, wenn die größten Emittenten China und USA nicht mitmachen.
Auf der COP19 2013 in Warschau haben sich die Teilnehmer darauf geeinigt, dass die Erderwärmung auf 2°C begrenzt werden soll. Nun geht es darum, welche Staaten welchen Beitrag dazu leisten. Die Minimalvariante ist ein Abschlusspapier mit der Bitte die eingereichten Selbstverpflichtungen auch umzusetzen. Alles andere wäre ein Erfolg. Um Einstimmigkeit erzielen zu können, werden die Industriestaaten nicht umhinkommen den „Green Climate Fund“ zu füllen. Der Fond soll zur Finanzierung von Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen in ärmeren Ländern beitragen. Die Verhandlungen sind immer auch ein Machtspiel. Wer keinen Vorteil für sein Land erreicht hat, gehört zu den Verlierern. Doch die Spielregeln haben sich radikal verändert. Erneuerbare Energien können plötzlich in jedem Land preisgünstig Energie liefern. Sie sind zuverlässig, schnell zu installieren und frei skalierbar. Die Macht derjenigen, die über fossile Brennstoffe verfügen, wird immer mehr zu einer Last. Denn Ausgaben für die Nutzung von Kohle, Öl und Gas entpuppen sich als Fehlinvestition, die dazu führen dass das Geld für die jetzt notwendigen Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz fehlt.
Wirtschaft muss zu ihrem Glück gezwungen werden
Klimaschutz als eine wirtschaftliche Chance zu begreifen, benötigt den Rückhalt der Staatengemeinschaft. Je klarer das Bekenntnis der COP21 in Paris ausfällt, sich langfristig auch vertraglich binden zu wollen, desto wahrscheinlicher werden die Maßnahmen in den einzelnen Staaten auch umgesetzt, mit dem Ziel die Erderwärmung auf 2°C zu begrenzen. Benötigt werden nicht nur Beschlüsse von Regierungen, sondern auch Investitionen der Wirtschaft in den Klimaschutz, ein Bereich, der sicheres Wachstum versprechen sollte. Um das zu erreichen muss die Wirtschaft zu ihrem Glück gezwungen werden. Wie sich Wankelmut und Scheinheiligkeit beim Klimaschutz negativ auf die Wirtschaft auswirken können, zeigt das Beispiel VW: Bei den Verhandlungen um strengere Abgasnormen in Brüssel hat Angela Merkel die deutsche Autoindustrie gegen die Wand fahren lassen. Statt sich für strenge Abgasvorschriften zu engagieren und den damit notwendigen Wandel in der Automobilindustrie zu forcieren, hat sie den Wünschen der Lobbyisten nachgegeben. Das rächt sich nun, weil die deutsche Autoindustrie mehr in die Umgehung der ambitionslosen Vorschriften als in Klimaschutz investiert hat. Gestern stand vor meiner Tür ein Taxi mit mir unbekanntem Design, dass meine Aufmerksamkeit erregte. Es war ein Tesla S, eine vollwertige Limousine mit rein elektrischem Antrieb -aus den USA. Ich wäre am liebsten sofort eingestiegen.
*parts per million = millionstel Teile