Strom zur Erzeugung von Kraftstoffen einzusetzen, könnte ein Weg sein, Kohlendioxid zu vermeiden und damit das Klima zu entlasten. Zwei Anlagen, die mit dem sogenannte Power to liquid experimentieren, wurden jetzt eröffnet.
Das Karlsruher Institut für Technologie in Eggenstein-Leopoldshafen hat die gesamte Prozesskette in einer Pilotanlage geschlossen. Aus Restbiomasse macht die Bioliq-Technologie umweltfreundlichen Kraftstoff. „Das neue Benzin ist motorenverträglich und lässt sich problemlos mit anderen Kraftstoffen kombinieren“, teilt das KIT mit.
Das Verfahren besteht aus vier Stufen: Zunächst wird trockene Restbiomasse wie beispielsweise Stroh dezentral durch Schnellpyrolyse in eine rohölartige Substanz von hoher Energiedichte umgewandelt. Diese Substanz, der sogenannte Biosyncrude, lässt sich wirtschaftlich über große Strecken transportieren und zentral weiterverarbeiten. Das ist nötig, weil die Rohstoffe meist nicht in der Nähe der Anlage anfallen und ein Transport über weite Strecke die Energiebilanz verschlechtern würde.
Ein Hochdruck-Flugstromvergaser setzt den Biosyncrude dann bei Temperaturen von über 1200 Grad Celsius und Drücken bis zu 80 bar zu einem synthetischen Gas um. Es besteht zum größten Teil aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Die anschließende Heißgasreinigung trennt Störstoffe wie Partikel, Chlor-, Schwefel und Stickstoff-Verbindungen ab. In der Synthesestufe entstehen schließlich Kraftstoffe oder chemische Grundprodukte.
Elektrolyse mit Wasserdampf
Auch bei der Dresdner Firma Sunfire war man vergangene Woche so weit, eine Demonstrationsanlage in Betrieb zu nehmen. Hier steht eine Elektrolyse am Anfang des Prozesses, also die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Dafür wird nicht, wie sonst üblich, flüssiges Wasser, sondern Wasserdampf verwendet.
Calories to Kilometers
Im zweiten Schritt wird Kohlendioxid mit dem Wasserstoff aus der Dampfelektrolyse zu Kohlenmonoxid reduziert. Im letzten Schritt, der so genannten Fischer-Tropsch-Synthese, wird das Kohlenmonoxid mit weiterem Wasserstoff zu Benzin, Diesel oder Kerosin und anderen Rohprodukten für die Chemieindustrie gewandelt. Die in der Synthese freigesetzte Wärme wird in den Prozess zurückgeführt. Damit ergibt sich ein hoher Wirkungsgrad von 70 Prozent, teilt Sunfire mit. Mehr dazu steht in einem informativen Text des Nachhaltigkeitsrates.
Energiedichte der Fossilen ist bisher ungeschlagen
Mit Power to liquid ließe sich das Problem der mangelnden Energiedichte von anderen erneuerbaren Energiequellen im Verkehrssektor lösen. Denn den bisher ungeschlagenen Energiegehalt fossiler Brennstoffe erreichen selbst die revolutionärsten Batterien bisher nicht. Bei gleichem Gewicht kommt man mit Benzin, Diesel und Kerosin etwa 100 mal weiter als mit den leichtesten Lithium-Ionen-Akkus. „Der Transportsektor hängt mit überwältigenden 94 Prozent seiner Nachfrage am Öl. Damit ist er eine der Hauptquellen von Luftverschmutzung und Klimagasen“, stellt der Weltklimarat fest. Gleichzeitig wächst der Verkehrssektor sehr schnell. Zu verführerisch ist das Modell der „freien Fahrt für freie Bürger“, wie es der ADAC in den 70-er Jahren propagierte.
„Wasserstoffautos sind die Zukunft“
Ob aber Power to liquid die Mobilität der Zukunft antreibt, ist noch nicht sicher. Wasserstoff oder Strom bleiben im Rennen. Bei der Jahrestagung des ForschungsVerbundes Erneuerbare Energien schwärmte Eicke Weber vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme kürzlich von seinem Wasserstoffauto mit 300 Kilometer Reichweite: „Das ist die Zukunft“, sagte er.
Nur im Flugverkehr wird man in absehbarer Zeit keinen Ersatz für fossile Brennstoffe finden, sagt Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft kürzlich bei einer Veranstaltung des Deutschen Klima-Konsortiums: „Dort gibt es praktisch keine Alternativen.“ Höchstens flüssiger Wasserstoff käme als Treibstoff in Frage. Dafür bräuchte es neue Turbinen und damit riskante Entwicklungsinvestitionen über einen langen Zeitraum. Im Stadtverkehr hingegen gebe es durch neue Mobilitätskonzepte gute Chancen, Emissionen zu verringern, sagte Klepper.
Calories to Kilometers
Wie schnell sich diese Konzepte durchsetzen, wird stark von den Verkehrsteilnehmern abhängen. „Die psychologischen Hürden für eine Energiewende im Verkehr sind ebenso groß wie die strukturellen Hemmnisse“, schreibt die Agentur für Erneuerbare Energien. Jederzeit dorthin fahren zu können, wohin man möchte, wird attraktiv bleiben.
Die allermeisten Wege aber werden in der Stadt zurückgelegt und betragen nur wenige Kilometer. Im Verkehr der Zukunft wird deshalb das Fahrrad eine ganz wichtige Rolle spielen. Hier gehen einmal mehr die Dänen voran: Sie haben gerade begonnen, ein Fahrradschnellwegenetz für längere Strecken Richtung Kopenhagen zu bauen. Bei der Umsetzung von Muskelkraft in Mobilität könnte dieses Konzept Calories to Kilometers heißen.