Berlin verdoppelt in diesem Jahr die im Bundesland installierte Windenergieleistung auf 9,4 Megawatt (MW). Am Pankower Autobahndreieck im Norden der Stadt, unweit der ersten Windenergieanlage in der Hauptstadt, entstehen zur Zeit zwei weitere Anlagen vom Typ E92 des Herstellers Enercon. Standort ist ein ehemaliges Militärgelände, das heute als Gewerbegebiet genutzt wird. Investor ist ein Projektentwickler aus der Region. Jede der beiden Anlagen hat eine Nennleistung von 2,35 MW und kann an dem Standort bis zu 6 Mio. Kilowattstunden (kWh) im Jahr erzeugen. Zusammen entspricht das bilanziell dem Strombedarf von 3000 Vier-Personen Haushalten mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh. Eine beeindruckende Leistungfülle, die von den 184 m hohen Anlagen geliefert wird.
Deutschlandweit werden in diesem Jahr vermutlich wie im letzten Jahr an Land Windenergieanlagen mit mehr als 4 Gigawatt (GW) Nennleistung neu ans Netz gehen. Dazu kommen noch über 2 GW Windenergie auf dem Meer. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) prognostiziert für dieses Jahr einen Stromanteil aus Erneuerbaren Quellen von mehr als 33% im Jahresdurchschnitt, nach zuletzt 27% in 2014.
Hersteller von Windenergieanlagen stehen unter Druck
Sie sollen immer effizientere Anlagen liefern, denn der zur Verfügung stehende Platz ist begrenzt. Je mehr Strom eine einzelne Anlage erzeugen kann, desto weniger Anlagen müssen für eine 100 prozentige Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien gebaut werden. Dazu sollen die Kosten sinken und die Erträge steigen. Die großen Binnenlandanlagen, wie die gerade in Berlin errichteten, erzeugen pro installierter Leistung am gleichen Standort etwa doppelt so viele Kilowattstunden (kWh) wie ältere Anlagen mit 100 m Gesamthöhe, wie sie vor 15 Jahren in Betrieb gingen. Wird zum Beispiel im Binnenland eine typische 600 Kilowatt (kW) Windenergieanlage wie die Enercon E40 mit 100 m Gesamthöhe und 44 m Rotordurchmesser durch eine Anlage ersetzt, wie sie jetzt in Berlin errichtet werden, kann man den achtfachen Energieertrag erwarten. Das sogenannte Repowering ist also ein echter Gewinn für den Klimaschutz. Auch die Verlässlichkeit im Stromnetz steigt. Denn die großen Anlagen stehen seltener still und können bei zu viel Strom im Netz ihre Leistung auf Anforderung des Netzbetreibers ferngesteuert reduzieren.
Anlagenhöhe wächst auf 230 Meter
Nun haben der deutsche Marktführer Enercon, Weltmarktführer Vestas, der deutsch-amerikanisch Hersteller Senvion und der Hamburger Hersteller Nordex eine neue Generation von Anlagen angekündigt, die den Forderungen nach Effizienzsteigerungen weiter entgegenkommen. Die maximale Anlagenhöhe wächst dafür auf 230 m und der Rotordurchmesser auf bis zu 141 m. Das ist eine Erntefläche von 1,5 Fußballfeldern am Himmel. Auf den 24. Windenergietagen Mitte November im Mecklenburgischen Linstow klebte am Stand von Vestas ein roter Zettel „Jetzt auch mit 166 m Turm“ der das Höhenwachstum der neuen Anlagen unspektakulär aber eindrucksvoll dokumentierte. In der Vergangenheit scheiterten solche Höhen schon an der begrenzten Reichweite der Mobilkräne zum Aufbau der Anlagen. Auf den neuen Nabenhöhen können auch größere Rotoren oberhalb der Turbulenzzone, die bis ca. 100 m reicht, verwirbelungsfreien Wind ernten und in Strom verwandeln. Das soll zu weiteren Ertragsverbesserungen führen. Nordex hat schon im letzten Jahr das Modell N131 eingeführt und bietet die 3,3 MW Variante auf einem 164 m hohen Turm an. Die Vestas V126 mit einer Nennleistung von 3,45 MW, die auf dem 166 m Stahlturm ab 2017 den Wind ernten soll, wird die untere Blattspitze auf 103 m rotieren lassen. Die Schwachwindanlage V136 mit 136 m Rotor bei der gleichen Nennleistung wird möglicherweise bald mit dem gleichen Turm ausgestattet werden können. Vier Meter weiter spannen die Flügel der Senvion 3.4M140, die auf einem 159 m Turm thronen wird. Sie soll auch an Binnenlandstandorten über 12 Mio. kWh pro Jahr erzeugen können. Die vierte im Bunde ist die Enercon E141 mit 4,2 MW Nennleistung auf der gleichen Flughöhe. Für den gerade mal einen Meter größeren Rotordurchmesser werden die Rotorblätter zweigeteilt angeliefert und vor Ort zusammengebaut.
Auch wenn die Leistungssteigerung begrüßenswert ist, wird das Höhenwachstum der Anlagen beim Anblick nicht nur Begeisterung auslösen. Kritiker der Windenergie fordern in Brandenburg und mehreren anderen Bundesländern, dass die Anlagen einen Abstand vom 10-fachen ihrer Höhe zur nächsten Wohnbebauung einhalten sollen. In Brandenburg würde eine solche Regelung trotz der zum Teil dünn besiedelten Landschaften dazu führen, dass der Ausbau der Windenergie und damit auch das gesamte Projekt der Energiewende zum Erliegen käme. Es würden wegen der vergrößerten Abstände schlichtweg keine Flächen mehr zur Verfügung stehen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen sieht bei einem Abstand von der zwei- bis dreifachen Höhe eine erdrückende Wirkung der Anlage, die Anwohnern nicht zugemutet werden kann. Bei 230 m Gesamthöhe entspräche das einem Abstand von 690 m, der für Anlagen dieser Höhe sicherlich nicht zu knapp bemessen ist.
Lichtemissionen reduzieren
Für Schall- und Schattenwurfemissionen der Anlagen gibt es klar definierte Grenzen, die gerade bei mehreren Anlagen zwangsweise zu weiteren Abständen führen. Bei hohen Anlagen ist darüber hinaus die nachts blinkende Flugwarnbefeuerung der Anlagen für viele ein Ärgernis, weil sie die technische Überformung der Landschaft dominant sichtbar werden lassen. Es besteht jedoch Hoffnung, dass auf das rote Blinken in Zukunft verzichtet werden kann. Eine radargesteuerte, bedarfsgerechte Befeuerung hat die Zulassung bereits erhalten. Sie blinkt nur, wenn sich ein Flugzeug nähert. Weitere Systeme sind in der Entwicklung oder werden bereits angeboten. Es wäre wünschenswert, dass die Umrüstung nicht nur bei neuen Anlagen stattfindet, sondern auch vorhandene Anlagen verstärkt nachgerüstet werden.
Angesichts der Leistungssteigerung bei der Windenergie an Land, guter Aussichten bei der Offshore-Windenergie und viel momentan schlummerndem Potential bei der Solarenergie ist nicht nur das Ende der Atomkraftwerke, sondern auch das Ende der Kohlekraftwerke in wenigen Jahren möglich und absehbar. Energiekonzerne, die Klimaschutz ignoriert und in Kohlekraftwerke statt Erneuerbare investiert haben, müssen sich warm anziehen.